Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur und Medien - Prof. Dr. Oliver Jahraus
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Pläne und laufende Projekte

Fellowship als Senior Researcher in Residence am CAS

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Versachlichung und Verdinglichung: Zwei gegensätzliche ästhetische Prinzipien in der Medienkultur der Weimarer Republik

Im Projekt am CAS geht es um die Medienkultur der Weimarer Republik, die gekennzeichnet ist durch eine boomende medientechnische Entwicklung, durch neuartige Medienkonkurrenzen und durch einen Pluralismus an darin involvierten ästhetischen Positionen. Wir wollen überprüfen, inwieweit sich dieses Feld entlang der Leitdifferenz von Versachlichung und Verdinglichung beschreiben lässt.
In der Klassischen Moderne entsteht um 1900 ein Pluralismus an ästhetischen Positionen, der sowohl in der zeitgenössischen Kritik als auch in der Literatur- und Kunstgeschichte als Beschreibungsproblem virulent wird. Die vielen, sich in relativer kurzer Zeit ausdifferenzierenden, ästhetischen Strömungen (Naturalismus, Symbolismus, Décadence, Jugendstil, Impressionismus, Expressionismus, Neuromantik, Avantgarde, Dada, Heimatkunst, Neue Sachlichkeit, um nur die wichtigsten Schlagworte zu nennen) sind nicht mehr in das Bild eines einheitlichen Epochenkonzepts von Moderne zu integrieren. Dieses Problem verschärft sich zur Zeit der Weimarer Republik in signifikanter Weise, weil die sich ausbreitenden neuen Medien zu einem Bewusstsein von Medienkonkurrenz führen, auf das neben bildender Kunst und Theater auch die Literatur mit produktiven Krisen, durch Formen der Anpassung oder Spezialisierung, aber auch mit avantgardistischen Tendenzen und vor allem mit einer verstärkten Reflexion der jeweiligen Position in Manifesten, Programmatiken und poetologischen Reflexionen reagiert.
Das Projekt greift diese Problemstellung einer pluralistischen Disparatheit auf und versucht, in unterschiedlichsten Kontroversen jener Zeit ein übergreifendes und sich wiederholendes Muster zweier antagonistischer ästhetischer Prinzipien zu rekonstruieren, die als Versachlichung und Verdinglichung rekonstruiert werden. Dabei handelt es sich um zwei Grundprinzipien ästhetischer Produktion, die sich idealtypisch am Gegensatz von Neuer Sachlichkeit und Expressionismus beobachten lassen. ‚Versachlichung‘ meint dabei die ästhetische Darstellung von Phänomenen, die das Phantasma eines objektiven Blicks verfolgt. ‚Verdinglichung‘ meint die gegenteilige ästhetische Strategie, der zufolge sich die Objekte selbst – im Sinne des Expressionismus – ausdrücken, ihren Objektcharakter transzendieren und so eine eigene, ihnen inhärente ästhetische ‚Wahrheit‘ sichtbar machen können. Im Projekt soll anhand einer Analyse von poetologischen und kunstkritischen Texten getestet werden, ob die Leitdifferenz ‚Versachlichung‘ und ‚Verdinglichung‘ dazu geeignet ist, die pluralisierte Medienkultur der Weimarer Republik zu beschreiben.
Das Ziel ist es zu zeigen, dass auf unterschiedlichsten Feldern (Diskursen und Medien) vergleichbare Problembestände der künstlerischen Produktion verhandelt werden, die mit der entwickelten Begriffskonstellation von Versachlichung und Verdinglichung durchschaubar gemacht werden können. Diese Entfaltungsmuster sollen zu einem differenzierten Bild der Moderne vor allem nach 1918 und zu einer kritischen Einschätzung des kulturellen Innovationschubs (in) der Weimarer Republik führen. Das Projekt versteht sich damit als ein grundlegender Beitrag zu einer integrativen Geschichte der Medienkultur der Weimarer Republik.

Mitarbeiter: Dr. Michaela Rass, Simon Eberle M.A.